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Bitterorangenblüten - Aurantii amari flos
[Ph. Eur. 7.0 (01/2009: 1810)]

Stammpflanze: Citrus aurantium L. ssp. aurantium / Bitterorange, Pomeranze [Fam. Rutaceae / Rautengewächse]. Synonyme: Aurantium acidum RUMPH., Citrus aurantium L. ssp. amara ENGL., Citrus aurantium L. ssp. acida THELLUNG. Synonyme Bezeichnungen der Art sind Citrus amara LINK, Citrus bigarradia LOISEL., Citrus vulgaris RISSO. Dt. Synonyme: Bittere Orange, Bitterorangenbaum, Bigarade, Bommerantzenbaum, Goldapfel, Warzenpomeranze. Englisch: bigarade, bitter orange, Bitter seville orange, Seville orange, sour orange.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Kleiner, bis 5 m hoher Baum, seltener ein Strauch. Blätter gestielt, Blattstiel im oberen Teil schwach aber deutlich geflügelt, Blattspreite ledrig und ganzrandig. Blüten meist zwittrig, radiärsymmetrisch und kräftig duftend. Kronblätter weiß, in der Regel 5, zuweilen bis 8. Staubblätter zahlreich, mit weißen, im unteren Teil zu breiten Bändern verwachsenen Staubfäden und gelben Staubbeuteln. Fruchtknoten oberständig, mit einem Griffel und einer dicken, kopfigen Narbe. Mehrfächrige, meist kugelige oder etwas platt gedrückte, in der Regel orange gefärbte Beerenfrucht von recht unterschiedlicher Größe.

Verbreitung: Heimisch im tropischen Indochina (Nordost-Indien und Süd-China), kultiviert in zahlreichen tropischen und subtropischen Ländern der Erde.

Droge: Die ganze, getrocknete, ungeöffnete Blüte von Citrus aurantium L. ssp. aurantium, die bezogen auf die getrocknete Droge einen Mindestgehalt an Flavonoiden von 8,0 % aufweist, berechnet als Naringin.

Beschreibung der Droge: Die bis 25 mm langen Blütenknospen sind weiß bis gelblichweiß gefärbt und etwa 5 bis 10 mm lang gestielt. Die Blumenkrone besteht aus 5 dicken, länglichen, konkaven Blütenblättern, die bei Lupenbetrachtung eine Punktierung zeigen, die durch die Ölbehälter hervorgerufen wird. Der kurze, gelblichgrüne, eine sternförmige Gestalt bildende Kelch besteht aus 5 an der Basis verwachsenen, abstehenden Kelchblättern. Im Inneren der Knospen befinden sich mindestens 20 Staubblätter mit gelben Staubbeuteln und an der Basis zu Gruppen von 4 oder 5 verwachsenen Staubfäden. Der 8- bis 10-fächrige Fruchtknoten ist oberständig, bräunlichschwarz, kugelig und am Grund von einer ringförmigen, körnigen Scheibe umgeben. Der relativ dicke und zylindrische Griffel endet in einer kopfförmigen Narbe. Die Schnittdroge besteht hellbraunen, drüsig-punktierten, steifen, leicht aufgewölbten Kronblattstückchen, langen, rotbraunen Staubblättern und einzelnen, napfförmigen Blütenkelchen. Relativ selten zu finden sind die kleinen, braunschwarzen, harten, mehrfächrigen Fruchtknoten.

Geruch und Geschmack: Geruch schwach, eigenartig-aromatisch, Geschmack würzig-aromatisch und schwach bitter.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Bigaradeblüten, Neroliblüten, Orangenblüten, Pomeranzenblüten. Englisch: Neroli flowers, Orange flowers, Seville orange flower. Lateinisch: Aurantii flos, Aurantii amari flores, Flores Aurantii, Flos Aurantii.

Herkunft: Ausschließlich von kultivierten Pflanzen. Der Anbau erfolgt in Südeuropa, insbesondere auf Sizilien, in Südfrankreich, Portugal und Spanien, sowie in anderen subtropischen Regionen. Importiert wird die Droge hauptsächlich aus Spanien und Mexiko.

Inhaltsstoffe: Ätherisches Öl: Gehalt durchschnittlich 0,2 bis 0,5 %. Zusammengesetzt zum überwiegenden Teil aus Monoterpen mit Linalylacetat, Nerol, Geraniol und α-Pinen als Hauptkomponenten sowie Anthranilsäuremethylester als artspezifischer Komponente. Flavonoide: Gehalt ca. 12 %, darunter insbesondere die bitter schmeckenden Glykoside Naringin und Neohesperidin, ferner Naringenin, Eriocitrin und Luteolin. Weitere Bestandteile: Limonoide mit bitterem Geschmack.

Wirkungen: Untersuchungen zur Wirksamkeit von Extrakten aus Bitterorangen bzw. von einzelnen Inhaltsstoffen liegen nicht vor. Demgegenüber wurde in einer neueren Arbeit die angstlösende und schlaffördernde Wirkung des aus den Blütenknospen durch Wasserdampfdestillation gewonnenen ätherischen Öls untersucht. Zu diesem Zweck wurde 35 bis 45 g schweren Mäusen eine Dosis von 0,5 bzw. 1 g  pro kg Körpergewicht per oral verabreicht. In diesen Versuchen bewirkte insbesondere die höhere Dosis eine Verlängerung der Pentobarbital-induzierten Schlafzeit. Ein erfolgreicher Nachweis der angstlösenden Wirkung erfolgte in der gleichen Studie mittels Elevated Plus Maze Test, bei dem sich die Verweildauer der Tiere im offenen (ungeschützten) Arm der Testapparatur nach Applikation der höheren Dosis nahezu verdoppelte.

Anwendungsgebiete: Da die Wirksamkeit der Droge bis heute angezweifelt wurde, erfolgt die Anwendung bislang ausschließlich in der Volksheilkunde.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Bitterorangenblüten gelten als Nervenberuhigungsmittel sowie als unschädliches Schlafmittel und werden daher in der Volksheilkunde als mild wirkendes Sedativum bei Nervosität und Schlafstörungen verwendet. Die oben vorgestellten Ergebnisse der mit dem ätherischen Öl durchgeführten pharmakologischen Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine Wirksamkeit bei den genannten Indikationen gegeben ist.

Gegenanzeigen: Keine bekannt.

Unerwünschte Wirkungen: Keine bekannt.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt. Inwiefern die für Extrakte und Abkochungen aus Bitterorangenschale beschriebene Hemmung der Resorption von Cyclosporin auch für Orangenblüten gilt, ist nicht bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Zur Teebereitung werden 1 bis 2 g Droge (1 Teelöffel entspricht etwa 1 g) mit kochendem Wasser übergossen und nach 5 Minuten durch ein Teesieb gegeben. Zur Förderung des Einschlafens werden abends 1 bis 2 Tassen Tee getrunken.

Sonstige Verwendung: Bitterorangenblüten zählen zu den Drogen, die häufig als Geschmacks- und Geruchskorrigens verwendet werden. Das aus der Droge durch Wasserdampfdestillation gewonnene ätherische Öl (verbreiteter Trivialname "Neroliöl") wird vielfältig in der Parfümerie verwendet und ist beispielsweise Bestandteil von "Kölnisch-Wasser".


Bilder:

Die Pomeranze ist ein in Indochina heimischer, heute jedoch in zahlreichen tropischen und subtropischen Regionen kultivierter kleiner Baum, dessen Aussehen nicht sonderlich vom dem anderer Citrus-Arten abweicht (Abbildung links oben). Gleiches gilt für die intensiv duftenden weißen Blüten, bei denen die Staubfäden im unteren Teil zu breiten Bändern verwachsenen sind (Abbildung rechts oben). Die immergrünen, ganzrandigen, etwas ledrigen Blätter besitzen einen deutlich geflügelten Stiel, der als sicherstes Unterscheidungsmerkmal von anderen Arten der Gattung Citrus gilt. Bei den Früchten der Bitterorange (s. Abbildung rechts unten) handelt es sich aus botanischer Sicht um Beeren, die äußerlich von herkömmlichen Orangen (=Apfelsinen, Citrus sinensis) nur schwer zu unterscheiden sind.


Literatur: Carvalho-Freitas MIR, Costa M, Anxiolytic and sedative effects of extracts and essential oil from Citrus aurantium L. Chem. Pharm. Bull. 25 (2002): 1629-1633; Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, Grundwerk 2002 und 5. Ausgabe, Grundwerk 2005; Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, Vollständige (Vierte) Neuausgabe, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 1969 - 1979; Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 128 vom 14.07.1993; USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN) [Online Database]; Wichtl M (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002.


© Thomas Schöpke